Vom 05. — 07.10.2021 fand unsere zweite gemeinsame Fachtagung 2020 für Respekt Coaches zum Thema “Klassismus – sozialer Status und soziale Herkunft als Diskriminierungsmerkmale” statt. Hier ging es um die Chancenungleichheit aufgrund des sozialen Status und der sozialen Herkunft und den damit verbundenen Diskriminierungserfahrungen im Kontext Schule, Bildung und Arbeitswelt.
1. Tag
Am ersten Tag haben wir mit einem Fachvortrag von Andreas Kemper zu “Klassismus — eine Bestandsaufnahme” begonnen. Er ist auf die historische Entwicklung des Klassismus-Begriffs und aktuelle Auswirkungen auf Schüler:innen durch das System Klassismus eingegangen. Dabei hat er auch dazu angeregt den Begriff Klassismus als “Aufschrei”-Begriff zu nutzen um Missstände darzustellen, die Auswirkungen auf Wahlen aufgezeigt und auch dass Klassismus sich in der Schulpräsenz von Stadtteilen wiederspiegelt. Auch die Notwendigkeit einer intersektionalen Betrachtung und der Anerkennung der Diskriminierungsdimension von class wurden erläutert und diskutiert.
Weiter ging es mit einem Vortrag von Karolin Kalmbach und Jakob Ginster zu Materialien und Methoden für eine klassenbewusste politische Bildung. Als Einstieg ging es um den nicht neutralen Begriff Klasse und die Einordnung dadurch in ein System von Macht und Herrschaft. Die soziale Herkunft und der Habitus wurden weiter diskutiert und ausgeführt und Ansätze und Kriterien zur Reflexion für eine klassenbewusste politische Bildung dargestellt und erprobt.
2. Tag
Am zweiten Tag fanden drei parallel laufende Workshops statt, in denen die theoretischen Inputs praktisch erprobt werden konnten.
Social Justice Training
Tanja Abou führte in das Konzept von Social Justice ein und erprobte durch eigene Biografie-Arbeit Methoden für eine Anerkennungs- und Umverteilungsgerechtigkeit. Es wurde mit Emotionen und eigenen Erfahrungen gearbeitet und dabei auch eine Übersetzbarkeit der Methoden in die eigene Arbeit. Beim Sammeln eigener Vorurteile und Stigmata zu einem Thema wurde mit Erschrecken festgestellt wie fest diese im Denken verankert sind und, dass jedes Vorurteil eine Geschichte hat, die es zu erkennen und emotional zu dekonstruieren gilt.
Klassismus in der Sozialen Arbeit
Andreas Kemper erläuterte einführend Grundlagen, Hintergründe und Entwicklungen des Klassismusbegriffs. In einer anschließenden vertiefenden Fachdiskussion brachten die teilnehmenden Respekt Coaches zahlreiche Praxisbeispiele aus ihrer Arbeit an den Schulen ein. Schwerpunkte der Diskussion waren Begriffe wie Anerkennung, Ohnmacht, Scham und Selbstwirksamkeit sowie die Reproduktion von Klassenverhältnissen im Alltag der Schüler:innen. Besonders nachdrücklich war die Beschreibung von Andreas Kemper, wie durch Klasse benachteiligte Menschen sich durch die Augen der Herrschenden sehen und demnach handeln — ein Konzept aus der diskriminierungskritischen Arbeit, das auch in anderen Diskriminierungsverhältnissen wie Rassismus oder Sexismus sehr wirksam ist. Weiterhin wurde vertiefend deutlich, dass Klasse als Kategorisierungs- und Diskriminierungsmerkmal meist intersektional mit anderen Formen der Diskriminierung verschränkt wirksam wird — es aber für die Arbeit der Respekt Coaches und der Jugendsozialarbeit grundsätzlich notwendig ist, sich mit Klasse als eigenem Merkmal noch deutlicher zu beschäftigen.
Sprache als Machtinstrument – eine kritische Selbstreflexion
Asal Kosari führte die Teilnehmenden behutsam in das Thema Macht und Sprache heran und zeigte auf, welche Rolle ein Bewusstsein für die eigene Sprache in der Sozialen Arbeit haben kann. Wie können wir unsere eigene Position sprachlich mitdenken und dabei zugänglich und auf Augenhöhe kommunizieren lernen? Auch das Thema Intersektionalität und der Habitus-Begriff wurden hierbei herangezogen und im Zusammenhang mit Klassismus und Sprache vertieft besprochen.
3. Tag
Der dritte Tag beschäftigte sich wieder intensiv mit den Themen der Respekt Coaches. Im Rahmen des Barcamps leitete Stephanie Feder die Teilnehmenden an ihre eigenen Themen zu präsentieren, diskutieren und zu verhandeln. Dabei wurde sich zu verschiedensten Themen ausgetauscht, unterstützt und daran weitergearbeitet. So ging es beispielsweise um Konkurrenz zu Lehrkräften, Gewalterfahrungen in der Familie, Klassenrat, Co-Finanzierung, Digitaler “Ort” für externe Träger, Respekt, FLINTA/Mädchenarbeit oder Sozialraumorientierung im ländlichen Raum.