In diesem Beitrag stellt die Respekt Coachin Friederike Alexander (IN-VIA München e.V.) das Projekt Black-Lives-Matter, die Themen und gemeinsamen Erfahrungen, die sie mit den Schüler:innen hatte, vor.
Aus Talkshows, Zeitungen oder Ministerien schallen die gut eingeübten und flüssig vorgetragenen Vorwürfe: Die Jugend ist faul (“wenn die Schule zu ist, sind die ja nur am zocken”), die Jugend ist nicht interessiert (“nicht mal Tagesschau gucken sie”) und dieses Jahr war die Jugend auch noch Schuld (“schließlich halten die sich ja alle nicht an die Regeln, sondern wollen nur feiern gehen”).
Zeit eine Lanze zu brechen für die Jugend. Kurz nachdem die Schüler:innen im Sommer 2020 wieder in die Schule gehen konnten, besuche ich eine achte Klasse, die ich schon eine Weile kenne. Es ist ein bisschen, wie die typischen Treffen alter Schulfreund:innen kurz vor Weihnachten. Man muss erstmal hinterherkommen, was alle so gemacht haben die letzten Monate. Manche waren komplett verschwunden und erscheinen nun mit neuem Style, andere scheinen sich keinen Millimeter verändert zu haben. Nur etwas größer und blasser sind die meisten der 14 bis 16 Jährigen geworden. Wir reden darüber, was in den letzten Monaten so passiert ist. Die obigen Vorwürfe gewohnt, erwarte ich eine müde Truppe, die mir von neuen Playstationspielen oder vom Saufen an der Isar erzählt.
Doch keine zehn Minuten später finde ich mich in einer regen Diskussion wieder. In etwa einer halben Stunde hangeln wir uns durch alle gesellschaftspolitischen Themen der letzten Monate: Warum gibt es Verschwörungstheorien und wer ist überhaupt Bill Gates? Dürfen Kolonialstatuen demontiert werden? Wie erinnern wir Geschichte? Warum gibt es so viel Gewalt im Rahmen der Black Lives Matter Proteste? Ist es in Ordnung oder sogar notwendig, dass das Video vom Mord an George Floyd auf Instagram öffentlich ist? Wie ist das mit Polizeigewalt in Deutschland? Warum wurde die Gedenkveranstaltung in Hanau verboten? Warum dürfen sog. Corona Leugner:innen demonstrieren? Die Schüler:innen überschlagen sich in ihren Fragen, Kommentaren, Meinungen. Sie beziehen Stellung für Andere, sie solidarisieren sich und sie hinterfragen Machtverhältnisse.
Eine Woche später besuche ich die Klasse erneut und bringe zwei Referentinnen vom Social Justice Institut München mit. In einer sehr vertrauensvollen Diskussionsrunde wird der Mord an George Floyd aufgearbeitet und auf den Alltag der Jugendlichen bezogen. Wer erlebt Gewalt und wer übt Macht über wen aus? Rassismus, Klassismus, Sexismus und immer wieder die Macht, die die Erwachsenen gegenüber den Jugendlichen ausnutzen.
Eine Schülerin zögert noch kurz und fragt dann am Ende der Stunde doch: „Warum suchen Menschen immer nach jemand anderem, bei dem sie die Schuld abladen können?“
Jugendliche sind nicht faul, sie verbringen ihre Zeit nur anders als Erwachsene. Jugendliche sind nicht desinteressiert, sie informieren sich nur an anderen Orten. Jugendliche sind nicht Schuld, sie sind nur leicht zu finden, wenn wir nach Schuldigen suchen.
Weitere Informationen zum Social Justice Institut München gibt es hier: institut-social-justice.org