Seit Anfang der 1990er-Jahre ist es in Deutschland zu zahlreichen rassistischen, antisemitischen und extrem rechten Gewalttaten gekommen. Die Historie hat jedoch mehr als eine 40-jährige Kontinuität, die bis heute nicht angemessen erforscht und dokumentiert ist. Der Brandaschlag am 29. Mai 1993, der nun 29 Jahre zurückliegt und durch den die Schwestern Saime und Hülya Genç, Hatice Genç und Gürsün İnce sowie deren Cousine Gülüstan Öztürk ums Leben gekommen sind, steht gegenwärtig stellvertretend für zahlreiche weitere Anschläge und Pogrome.
Der Fachbereich Re_Struct des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen (IDA-NRW), in dem die Bildungsmaterialien entwickelt wurden, wird durch die Landeszentrale für politische Bildung aus Mitteln des Bundesprogramms Demokratie Leben! gefördert und hat zum Ziel, rassismuskritische und intersektionale Perspektiven für Institutionen und Träger der politischen Bildung anzuregen und weiterzuentwickeln.
Die rassismuskritischen schulischen und außerschulischen Bildungsmaterialien zum rassistischen und extrem rechten Brandanschlag in Solingen mit dem Titel „Da war doch was!“ – Der Brandanschlag in Solingen (Zitat einer Oberstufenschülerin aus Solingen) mit über 200 Seiten Material verfolgt das Ziel, Kinder- und Jugendliche im Alter von zehn bis 18+ Jahren an den Brandanschlag zu erinnern, sie zu sensibilisieren, aufzuklären und ihr Wissen zu erweitern. Das Material kann in der Kinder- und Jugendarbeit z. B. auch in Schulen eingesetzt werden. Lehrkräfte haben die Module didaktisch und methodisch gesichtet und angepasst, damit die Ziel- und Altersgruppe auch tatsächlich erreicht wird. Ein Anliegen war, die Module vom Schwierigkeitsgrad her so anzupassen, dass sie mit Kindern und Jugendlichen aller Schulformen durchgeführt werden können. An vielen Modulen sind Jugendliche beziehungsweise junge Erwachsene – Oberstufenschüler*innen aus Solingen – konzeptionell beteiligt gewesen. Angehörige der Familie Genç haben das Projekt mit Material und Anregungen aus der Betroffenenperspektive unterstützt.
Zum Hintergrund: Rassismus ist kein Randphänomen und kein Einzelfallproblem, sondern tief in der Mitte unserer Gesellschaft verankert. Fachkräfte und Multiplikator*innen mit pädagogischer Verantwortung für Kinder- und Jugendliche stehen daher häufig vor einer großen Herausforderung. Sie sind nicht selten verunsichert und überfordert, wenn Rassismus, extrem rechte Gewalt(taten) oder Rechtsextremismus thematisiert werden. Ihnen fehlt oftmals nicht nur das nötige Hintergrundwissen, sondern in erster Linie auch konkretes Handwerkszeug wie Handlungs- und Diskussionsstrategien, um mit Kindern und Jugendlichen darüber zu sprechen. Die Bildungsmaterialien enthalten daher Bausteine und theoretische Betrachtungen zum Brandanschlag in Solingen. Die thematische Gliederung der umfangreichen Übungseinheiten erleichtert es Fachkräften und Multiplikator*innen zusätzlich, sich mit der Thematik zu befassen.
Der rassistisch motivierte Brandanschlag in Solingen war Anstoß für die Gründung und Förderung des IDA-NRW, das an das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA e. V.) angegliedert ist. Deshalb freuen wir uns Ihnen unsere Webseite www.da-war-doch-was.de zum Solinger Brandanschlag bekannt zu geben.